Hungerstoffwechsel

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Inhalt

II. Frühe Hungerphase – Gluconeogenese

Die Frühe Hungerphase beginnt etwa einen Tag nach der letzten Mahlzeit und endet etwa 3-4 Tage danach. Der Zweck der frühen Hungerstoffwechselphase ist die ununterbrochene Glucoseversorgung der glucoseabhängigen Organe nach der Entleerung der Glucosespeicher.

Die 2 Stoffwechselprozesse der frühen Hungerphase

Die frühe Hungerphase ist charakterisiert durch zwei Stoffwechselprozesse:

  1. Biosynthese (körpereigene Herstellung) von Glucose aus Fett und Eiweiß (Gluconeogenese)
  2. Beschleunigung der Fettverbrennung

Diese beiden Stoffwechselvorgänge werden in der frühen Hungerphase durch die Stresshormone Cortisol und Epinephrin (= Adrenalin) aus der Nebenniere aktiviert.

1. Gluconeogenese

Mit der Entleerung der Glykogenspeicher beginnt der Stoffwechsel damit, aus körpereigenem Protein und Fett Glucose herzustellen – ein genialer Trick, ohne den die Menschheit längst verhungert wäre.

Die körpereigene Herstellung von Glucose aus Nicht-Kohlenhydraten wird als Gluconeogenese (von griech. glycos, süß; neo, neu und genesis, Erzeugung) bezeichnet.

Ausgangsstoffe für die Gluconeogenese sind in der Anfangsphase des Hungerstoffwechsels vor allem glucogene (in Glucose umwandelbare) Aminosäuren, insbesondere die Aminosäuren Glutamin und Alanin. In geringerem Umfang werden auch auch Laktat (Milchsäure) und Glycerol (=Glycerin) in Glucose umgewandelt.

Die Aminosäuren stammen in Abwesenheit von Nahrungsproteinen aus dem Abbau von körpereigenem Eiweiß. Aus 100g reinem Protein, das entspricht 500g Muskelfleisch, kann der Stoffwechsel mithilfe der Gluconeogenese 56g Glucose herstellen. In den ersten Tagen werden 75-85 Protein zur Glucoseherstellung abgebaut. Dies entspricht einem Muskelabbau von 375-425g/Tag. Der Proteinabbau (Kanibalismus) wird durch das Gehirn mithilfe des Hormons Cortisol gesteuert.

Laktat (in Wasser gelöste Milchsäure) wird bei der anaeroben (sauerstofflosen) Verbrennung von Glucose in Muskeln, Erythrozyten, Nierenmark und Gehirn täglich in einer Menge von 1.5-3.0g gebildet.

Das Glycerol ist ein Metabolit aus dem Fettabbau. In der frühen Hungerphase verbrennt der Stoffwechsel täglich etwa 160g Fett, aus dem etwa 16g Glycerol bzw. 8g Glucose erzeugt werden.

Wo findet die Gluconeogenese statt?

Hungerstoffwechsel VerdauungssystemDie Glucogenese findet in Leber, Nierenrinde und in der Dünndarmwand statt. Der Anteil des Dünndarms an der Gluconeogenese liegt bei 15-20%.

Im Dünndarm erfolgt die Gluconeogenese ausschließlich aus der Aminosäure Glutamin. Glutamin wird von den Dünndarminnenwandzellen, den Enterozyten, resorbiert (aufgenommen), in Glucose umgewandelt und über die Pfortader in die Leber transportiert. Die Nervenenden der Pfortader melden die Glucoseaufnahme an das Gehirn, das daraufhin ein starkes Sättigungsgefühl auslöst. Die Gluconeogenese im Dünndarm spielt deshalb einen Schlüsselrolle bei der Sättigung.

Wieviel Zucker produziert der Hungerstoffwechsel?

In der ersten Hungerwoche werden mithilfe der Gluconeogenese täglich 150-180g Glucose produziert, 90% davon in der Leber aus Alanin, Laktat und Glycerol und 10% in der Nierenrinde. Ab der zweiten Hungerwoche produziert die Nierenrinde aus Glutamin, Laktat und Glycerol beinahe genauso viel Glucose wie die Leber. Diese Anteile müssen jedoch neu bewertet werden, da inzwischen erkannt wurde, dass auch der Dünndarm mit einem Anteil von 15-20% an der Gluconeogenese beteiligt ist.

Etwa 80% der Glucose werden vom Gehirn verbraucht, 20% von Erythrozyten, Nierenmark, Knochenmark und sehr wenig von der Muskulatur.

Warum verliere ich bei Hungerdiäten Muskeln und kein Fett?

Die bevorzugte Gewinnung von Glucose aus der Muskulatur und den inneren Organe in der Anfangsphase des Hungerstoffwechsels ist aus folgenden Gründen sinnvoll.

  1. Die Skelettmuskulatur eines untrainierten normalgewichtigen Mannes hat einen Anteil am Körpergewichts von 40% (Bodybuilder bis 60%) und verbraucht 22% des Grundumsatzes. Die Muskulatur verbrennt schon im Schlaf dreimal so viel Energie (13kcal/kg/Tag) wie das Fettgewebe (3.5kcal/kg/Tag), im Wachzustand erheblich mehr. Der tägliche Kalorienverbrauch trainierter Muskulatur kann auf mehr als 30kcal pro Kilogramm Muskelmasse ansteigen. Die Reduktion der Muskulatur gleich zu Beginn der Hungerperiode bringt deshalb einen hohen Energiespareffekt und verlängert die Überlebensdauer bei Nahrungsmangel erheblich.
  2. Leber, Herz und Nieren verbrauchen zusammen 38% der Ruheenergie (Grundumsatz), obwohl sie nur 3,5% des Körpergewichts ausmachen. Herz und Nieren haben jeweils einen täglichen Ruhe-Kalorienverbrauch von 440kcal pro kg Organmasse, die Leber verbraucht 200kcal/kg pro Tag. Die Reduktion der Organmasse der inneren Organe in Hungerphasen erhöht die Überlebensdauer bei Nahrungsknappheit erheblich.
  3. Die Stoffwechselumstellung auf maximale Fettverbrennung braucht 4-6 Wochen. In den ersten Tagen des Hungerstoffwechsels werden etwa 160g Fett pro Tag verbrannt. Daraus kann der Stoffwechsel täglich nur 8g Glucose herstellen. Das sind nur 4-5% des täglichen Glucosebedarfs. Der Stoffwechsel ist deshalb auf andere Ausgangsstoffe (Muskulatur und Laktat) zur Glucoseherstellung angewiesen.

Mit dem Abbau von Muskeln und inneren Organen (außer dem Gehirn) schlägt der Hungerstoffwechsel zwei Fliegen mit einer Klappe:

  1. Der Körper trennt sich gleich zu Beginn der Hungerperiode von seinen größten Kalorienfressern (abgesehen vom Gehirn).
  2. Die in den abgebauten Muskeln und Organen gespeicherte Energie deckt den Kalorienbedarf des Körpers während des Nahrungsmangels.

2. Fettverbrennung beschleunigen

Hungerstoffwechsel Fettverbrennung beschleunigenEtwa drei Tage nach der letzten Nahrungsaufnahme beginnt der Hungerstoffwechsel mit der verstärkten Mobilisierung (Auflösung) seiner Fettreserven. Diesen Stoffwechselprozess bezeichnet man als Lipolyse (griech. lipos, fett und lysis, Auflösung). Die Fettverbrennung läuft als Teil des normalen Stoffwechsels zwar permanent ab, der Hungerstoffwechsel bewirkt in der frühen Hungerphase jedoch eine starke Beschleunigung der Fettverbrennung.

Hüftgold, Speckrollen, Fettpolster, Bauchfett und Bauchspeck bestehen aus Fettzellen (Adipozyten). Das Körperfett wird in den Fettzellen in Form kleiner Fetttröpfchen gespeichert, die aus Triglyceriden bestehen. Beim Fettabbau kommt es zu einer enzymatischen Spaltung der Triglyceride. Hierbei entstehen in der Fettzelle Glycerol (=Glycerin) und drei (deshalb Tri-) Fettsäuren, die als Energieträger ins Blut abgegeben werden. Die Fettsäuren werden von energiehungrigen Körperzellen aufgenommen und in den Energiekraftwerken der Zellen, den Mitochondrien, in Energie umgewandelt (β-Oxidation).

Fettsäuren enthalten zwar 3-mal mehr nutzbare Energie als Glucose, die Energieerzeugung aus Fettsäuren ist jedoch sehr viel langsamer als die aus Glucose. Glucoseabhängige Zellen können Fettsäuren nicht verbrennen. Alle anderen Zellen verbrennen in Ruhe oder bei geringer körperlicher Aktivität hauptsächlich Fettsäuren.

Ohne Hormone keine Fettverbrennung

Die hormonelle Steuerung des Fettabbaus erfolgt über das Gehirn. Das entscheidende Signal für die Beschleunigung des Fettabbau ist der Abfall der Insulinkonzentration drei Tage nach Hungerbeginn um 50%. Der daraufhin ausgeschüttete Hormon-Cocktail aus Insulin, Glucagon, Adrenalin und Cortisol veranlasst die Fettzellen zum beschleunigten Fettabbau und stimuliert die fettverbrennenden Zellen zum Aufbau der für eine erhöhte Fettverbrennung erforderlichen Enzyme und Zellstrukturen (Zahl und Größe der Mitochondrien).

3 Kilo in 4 Tagen abnehmen

In den ersten vier Hungertagen beträgt der Gewichtsverlust 2-3kg. Wer jetzt denkt, er könnte so in 4 Tagen 3kg Fett abnehmen, der irrt:

Die starke Gewichtsreduktion zu Beginn einer Hungerdiät, Crash-Diät, Null-Diät oder Blitzdiät wird größtenteils durch den Verlust von Wasser und Muskelmasse verursacht. Denn beim schnellen Abnehmen gilt die Regel:

Zuerst schwinden die Muskeln, dann das Fett!

Es gibt aber Tricks, mit denen man beim Abnehmen dafür sorgen kann, dass man keine Muskeln verliert.

4 Merkmale der frühen Hungerphase

Verlust der Muskelmasse

Bereits einen Tag nach Hungerbeginn erreicht der Proteinabbau (Proteolyse) sein Maximum von etwa 80g/Tag. Dies entspricht einem Verlust an Muskelmasse von 400g/Tag, der innerhalb von der ersten Fastenwoche etwa auf die Hälfte und nach 3 Wochen auf ein Viertel zurückgeht.

Stickstoffausscheidung

Infolge des hohen Eiweißabbaus entstehen große Mengen an Stickstoff, weil Aminosäuren Stickstoff enthalten, Glucose (C6H12O6) aber nicht. Der Stickstoff wird über den Urin in Form von Harnstoff (H2N-CO-NH2) und Ammoniak (NH3) ausgeschieden.

Der für Hungerkuren typische vermehrte Zellabbau führt zusätzlich zu einer erhöhten Harnsäurebildung (C5H4N4O3) im Urin.

Die in den ersten Tagen erhöhte Stickstoffausscheidung bei Hungerkuren oder proteinreichen Diäten bleibt ohne negative Folgen, wenn die Nieren gesund sind, mehr als üblich getrunken wird und die Urinproduktion mindestens bei 1.5 Litern/Tag liegt.

Respiratorischer Quotient

Der Respiratorische Quotient (RQ) ist das Volumenverhältnis zwischen abgeatmetem Kohlendioxid und eingeatmetem Sauerstoff. Mithilfe des respiratorischen Quotienten lässt sich der Anteil der Energieträger bei der Energieproduktion des Stoffwechsels ermitteln:

Die Verbrennung von Glucose ergibt einen RQ=1, wie sich aus der folgenden Reaktionsgleichung ergibt (C: Kohlenstoff; H: Wasserstoff; O: Sauerstoff; Zahlen tiefgestellt: Anzahl der jeweiligen Atome; Zahlen vorangestellt: Anzahl der Stoffteilchen):

C6H12O6 (Glucose) + 6 O2 (Sauerstoff) → 6 CO2 (Kohlenstoffdioxid) + 6 H2O (Wasser)
RQ = 6 CO2 / 6 O2 = 1.0

Erklärung: Bei der vollständigen Verbrennung von einem Teil Glucose werden 6 Teile Sauerstoff benötigt. Dabei entstehen 6 Teile Kohlendioxid. Das Verhältnis von ausgeatmetem Kohlendioxid zu eingeatmeten Sauerstoff ist somit 6/6 = 1.

Verbrennt der Energiestoffwechsel Proteine (z. B. Albumin), ist RQ=0.82:

C72H112N18O22S (Albumin) + 77 O2 → 63 CO2 + 38 H2O + SO3 + 9 CO(NH2)2 (Harnstoff)
RQ = 63 CO2/ 77 O2 = 63/77 = 0.818

Bei der Fettverbrennung ist der RQ=0.7, wie die Verbrennung von Palmitinsäure zeigt:

C16H32O2 (Palmitinsäure) + 23 O2 → 16 CO2 + 16 H2O
RQ = 16 CO2 / 23 O2 = 0.696

Der Respiratorische Quotient fällt während des frühen Hungerstoffwechsels bei normaler Ernährung vor der Hungerkur von 1 auf Werte zwischen 0.83 und 0.7.

Grundumsatz

Der Grundumsatz steigt in der frühen Hungerphase leicht an. Dies könnte darauf zurückgeführt werden, dass die Stoffwechselumstellung auf Gluconeogenese aus körpereigenen Proteinen ein energieaufwendiger Stoffwechselprozess ist, bei dem viel Energie in Form von Wärme freigesetzt wird.

Dieses Phänomen ist mit der hohen nahrungsinduzierten Thermogenese (von griech. thermo, Wärme; genesis, Erzeugung) von Proteinen vergleichbar, bei der während der Verdauung über 25% der in den Proteinen enthaltenen Energie (4kcal/g) in Wärme umgewandelt wird und vom Stoffwechsel nicht weiter verwertet werden kann.

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  • was man unter Ketose und Ketonkörpern versteht,
  • wie Du Deinen Stoffwechsel und die Fettverbrennung mit Ketonkörpern maximieren kannst,
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  • wie Du Dich vor Krebs und Hirnschäden schützen kannst …

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  1. Postabsorptive Phase
  2. Frühe Hungerphase
  3. Späte Hungerphase
  4. Stabile Hungerphase
  5. Auszehrungsphase
  6. Realimentation


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